Deutschland befindet sich wie viele Länder Europas und der Welt seit Wochen im Ausnahmezustand. Das öffentliche Leben steht weitgehend still: Geschäfte, Schulen oder Restaurants sind geschlossen, Betriebe drosseln ihre Produktion oder stellen sie ganz ein.
Auch für die Versicherungswirtschaft sind die umfangreichen Kontaktbeschränkungen eine große Herausforderung. Die Unternehmen tun einerseits alles, um ihre Mitarbeiter vor einer Corona-Ansteckung zu schützen. Sie schicken sie ins Home-Office und beschränken die direkten Kontakte auf das Allernötigste. Gleichzeitig bemühen sie sich darum, den Geschäftsbetrieb möglichst reibungslos am Laufen zu halten und für ihre Kunden da zu sein. Mehr denn je sogar.
Menschen bangen um ihre Existenz
Viele wenden sich nun mit ganz anderen Sorgen an die Unternehmen, als es unter normalen Umständen der Fall wäre: Es melden sich Menschen, die urplötzlich und unverschuldet ihre Einkommensbasis verloren haben, die in Kurzarbeit sind oder deren Betrieb auf einmal stillsteht. Die um ihre Existenz bangen und nicht wissen, wie sie ihre Versicherungsbeiträge bezahlen sollen. Dazu kommen andere neue Probleme, die sich vergleichsweise harmlos ausnehmen. Menschen beispielsweise, die ihr Auto nicht ummelden können, weil die Zulassungsstelle geschlossen ist.
Hilfe zu leisten, ist für uns Versicherer selbstverständlich. So makaber es klingt: Katastrophen gehören zu unserem Geschäftsmodell. Doch diesmal ist vieles anders. Zum einen die Dimension der Krise. Sie fordert alle Versicherer heraus, ganz gleich wie groß sie sind, in welcher Region sie ihr Geschäft betreiben oder ob sie es mit Privat- oder Firmenkunden zu tun haben. Die gesamte Branche ist gefordert wie vielleicht nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik.
Es geht um den Erhalt des Bestehenden
Und noch etwas anders: Es geht weniger um den Wiederaufbau, um den Ersatz erlittener Schäden wie nach einem Hochwasser, Brand oder einem Sturm. Es geht um den Erhalt des Bestehenden, um das Hinüberretten von Existenzen in eine halbwegs normale Zeit, von der heute noch niemand abschätzen kann, wann das sein wird.
Die Betroffenen verlangen von uns schnelle, pragmatische Lösungen. Hier ist es eins, auf vertragliche Ansprüche zu pochen. Ein anderes ist es, zu fragen, was den Kunden in dieser externen, von ihnen nicht zu verantwortenden Krise am ehesten hilft. Mit anderen Worten: Das Gebot dieser Tage lautet, Rechtspositionen mit Klugheit und Empathie abzuwägen.
Mein Eindruck ist, dass unsere Mitgliedsunternehmen das beherzigen: Sie stunden Beiträge, lassen den Versicherungsschutz zeitweise ruhen oder erweitern den Deckungsschutz, ohne höhere Beiträge zu verlangen. Und sie gewähren auch Liquiditätshilfen.
Gute Initiativen, mit denen Versicherer an der Seite ihrer Kunden stehen
Unter der Ägide des bayerischen Wirtschaftsministers haben sich vor wenigen Tagen Wirtschaftsverbände und Versicherungsunternehmen zusammengetan, um geschlossenen oder teilweise geschlossenen Unternehmen mit schneller Liquidität beiseite zu stehen. Es gibt daneben weitere gute Initiativen, mit denen Versicherer an der Seite ihrer Kunden stehen, wie etwa die Einrichtung eines umfangreichen Solidaritätsfonds. Diese vielfache Unterstützung zeigt, dass wir als Branche unsere gesellschaftliche Verantwortung ernst nehmen.
Doch so sehr wir uns bemühen, unseren Kunden in dieser schweren Zeit beizustehen: Kulanz hat ihre Grenzen. Sie lässt sich nicht klar ziehen, auch nicht daraus ableiten, was dem einen Kunden oder von dem einen Versicherer zugesprochen wird. Jeder Fall ist einzeln abzuwägen – unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände. Wie groß ist die Not des Kunden, wie eng die Geschäftsbeziehung? Und inwieweit kann auch der Versicherer die Zugeständnisse vertreten?
Größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg
Niemand darf von unserer Branche erwarten, wirtschaftliche Schäden zu übernehmen, die gar nicht versichert sind. Denn da ist ja noch ihre Verantwortung gegenüber allen anderen: den Mitarbeitern, den Vertriebspartnern, den Eigentümern und vor allem den übrigen Kunden. Sie müssen sich darauf verlassen können, dass die Versicherer ihre berechtigten Ansprüche jederzeit erfüllen. Und dies gilt ganz besonders in dieser für uns alle so schwierigen Lage, die Bundeskanzlerin Angela Merkel zutreffend als größte Herausforderung für unser Land seit dem Zweiten Weltkrieg bezeichnet hat.