Die E-Tretroller sind los - auf kleinen Rädchen, wieselflink und leise stürzen sich Neugierige damit vor allem in den Großstädten ins Verkehrsgetümmel. Aber sie wissen nicht immer, was sie tun - denn die Gefahren können immens sein.
E-Tretroller gehören seit kurzem vor allem in Großstädten immer öfter zum Straßenbild. Doch ganz ungefährlich sind sie nicht, wie erste schwere Unfälle gezeigt haben. Was müssen Nutzer von gekauften oder geliehenen E-Scootern wissen, um sicherer elektrisch zu rollern? Wir haben Siegfried Brockmann von der Unfallforschung der Versicherer (UDV) gefragt.
Die Roller sind nun seit einigen Wochen im Straßenverkehr unterwegs, die ersten Unfälle zum Beispiel mit Autos sind bereits passiert, was haben Sie beobachtet?
Siegfried Brockmann: Die meisten wissen, dass man den Radweg oder ansonsten die Straße benutzen muss. Was ich aber sehe: Auch wenn Radwege da sind, und erst recht, wenn keine da sind, wird sehr gerne und häufig der Gehweg benutzt. Deswegen glaube ich, dass da auch zurzeit die größte Gefahr für alle Beteiligten lauert. Also sowohl der Rollerfahrer, wenn ihm ein Fußgänger in die Quere läuft, wird unweigerlich stürzen, als auch der Fußgänger wird dabei im Zweifel schwer verletzt werden. Die ersten paar Unfälle, die wir gesehen haben, werden nicht die typischen Unfälle sein. Sondern ich fürchte nach wie vor, dass sich das Hauptproblem zwischen Rollerfahrer und Fußgänger abspielen wird.
Was macht einen sicheren Roller aus?
Brockmann: Das Fahrverhalten dieser Roller hängt immer von der Radgröße ab. Es gibt immer noch sehr billige Modelle mit sehr kleinen Rädern zu kaufen, die damit sehr schnell unsicher werden. Was ich bisher im Vermietmarkt gesehen habe, hat eine vernünftige Radgröße. Damit können auch einigermaßen sicher Schwellen und Bodenwellen gemeistert werden. Das haben wir bereits im Test erprobt. Das Problem scheint mir eher andersherum zu sein. Man gewinnt relativ schnell eine Scheinsicherheit. Man unterschätzt, dass 20 km/h, falls es doch zu Konflikten zum Beispiel mit Auto- und Radfahrern oder Fußgängern kommt, eine erhebliche Energie sind, und ist vielleicht zu sorglos unterwegs.
Was ist bei den Bremsen wichtig?
Brockmann: Die müssen alle den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Ich brauche zwei unabhängige Bremsen, eine fürs Vorder- und eine fürs Hinterrad, die eine gewisse Mindestbremswirkung haben müssen. Das Problem liegt umgekehrt eher darin, dass man vorn möglicherweise zu viel Bremswirkung hat, und dann, wenn das Vorderrad blockiert, geht man wie bei allen einspurigen Fahrzeugen über den Lenker.
Hinten haben einige Modelle ja auch eine Fußbremse, das klingt ziemlich artistisch.
Brockmann: Das kriegt man relativ schnell raus. Für schnelles Bremsen ist das Vorderrad das entscheidende.
Das Zusammenspiel aus Vorder- und Hinterradbremse sollte man daher ausgiebig üben?
Brockmann: Ja, aber sicherlich nicht so, dass ich mich allein durchs Üben in Lebensgefahr begebe, sondern beispielsweise auf einem leeren Parkplatz. Da kann man sich mal vortasten, wo der Druckpunkt der Bremse ist, wie scharf die reagiert.
Aber grundsätzlich sind beide Bremsen gleichzeitig zu benutzen?
Brockmann: So sollte es sein.
Thema Lenken - wie geht's am besten?
Brockmann: Im Wesentlichen funktioniert Lenken bei einspurigen Fahrzeugen wie beim Fahrrad ja auch mit Gewichtsverlagerung. Das heißt, dass sich die Zeiten, in denen man reagieren kann, sich eher verlängern. Das Extrembeispiel ist der Torwart, der beim Elfmeter in die falsche Ecke unterwegs ist, der kann seine Bewegung auch nicht mehr stoppen. Alles, was ich mit Gewichtsverlagerung mache, bedarf eines vorausschauenden Fahrens, weil ich das nicht mehr in Sekundenbruchteilen ändern kann. Zu abrupte Lenkbewegungen, etwa durch Panik, führen immer zum Sturz.
Wie komme ich am besten über eine abgeflachte Bordsteinkante?
Brockmann: Das haben wir getestet, das ist mit den kleinen Rädchen durchaus machbar. Man muss man nur ein bisschen Geschwindigkeit rausnehmen, damit der Roller nicht springt. Bei geringer Geschwindigkeit bleibt das Gefährt tatsächlich stabil. Die Frage ist nur, ob man aufmerksam genug ist. Wir erleben immer wieder, dass die Leute meinen, beispielsweise gleichzeitig telefonieren zu können. Doch von so was rate ich dringend ab, weil die nicht stabil genug sind, sie mit einer Hand zu fahren. Auch wenn man sich ablenken lässt und Hindernisse nicht sieht, wird es richtig gefährlich.
Manche halten beide Füße auf dem Tretroller parallel auf dem schmalen Trittbrett. Richtig so?
Brockmann: Also meine eigene Übung sagt ganz klar, dass ich auch fest stehe, wenn ich hintereinander stehe. Während der Platz kaum oder eigentlich gar nicht ausreicht, wenn ich nebeneinander stehe. Und das birgt natürlich die Gefahr, dass ich mit einem Fuß abrutsche, was sofort Instabilität des gesamten Fahrzeugs zur Folge hat.
Manche Modelle haben einen Getränkehalter, den einige zum Anhängen der Hand- oder Einkaufstasche nutzen - eine praktische Idee?
Brockmann: Von zusätzlichen Gewichten halte ich überhaupt gar nichts, insbesondere wenn sie pendeln können. Das Getränk mag noch in Ordnung sein, das befindet sich dann exakt in derselben Achse wie der Lenker. Aber sobald dort etwas pendeln kann, ist das ausgesprochen gefährlich und könnte das gesamte Fahrzeug relativ schnell aus dem Gleichgewicht bringen.
Gretchenfrage: Was ist mit einem Helm, den brauche ich ja vom Gesetz her eigentlich nicht?
Brockmann: Ich rate dazu, bin aber realistisch genug, dass das abgesehen vom eigenen Fahrzeug nicht gut funktionieren wird. Wenn ich mir so ein Ding leihe, liegt der Charme ja gerade darin, dass ich mich spontan dazu entschließen kann.
Kleine Räder, Bremshebel und vielleicht noch eine Fußbremse, unter Umständen ein Display, ein Gasgriff, eine Klingel, ich sollte vorausschauend fahren - mal ehrlich, wie lange brauche ich, bis das sicher klappt?
Brockmann: Das halte ich alles für kontrollierbar - vor allem, wenn ich mich an die Straßenverkehrsordnung halte. Da steht drin, dass ich nur so schnell fahren darf, dass ich das Fahrzeug jederzeit kontrollieren kann. Viele Leute wissen das nicht und verhalten sich nicht so. Beim E-Tretroller, den man sich als eigenes Fahrzeug kauft, fährt man vielleicht ein, zwei Stunden und hat die Handgriffe raus und kann alles auch beliebig miteinander koordinieren. Das Problem ist, wenn ich solche Geräte nur einmal die Woche, oder einmal im Monat nutze, kommt überhaupt kein Automatismus zustande. Und man muss sich jedes Mal wieder neu an das Gefährt gewöhnen. Darin liegt sicherlich eine besondere Gefahr.
Gibt es eine Personengruppe, für die E-Tretroller grundsätzlich nichts sind?
Brockmann: Nein, das würde ich so nicht sagen. Auch wenn ich an Senioren denke, gibt es so unterschiedliche Fitnessgrade, dass ich das prinzipiell erstmal nicht ausschließen würde.
Aber eine gewisse Grundfitness und Koordinationsvermögen muss ich haben, oder?
Brockmann: Also wenn ich schon beim Laufen Probleme mit dem Gleichgewicht habe, dann würde ich es doch sicher sein lassen. Und auch, wenn ich Alkohol getrunken habe. Da gelten nämlich die gleichen Grenzwerte wie beim Auto, das wissen viele nicht. Ab 0,5 Promille ist es eine Ordnungswidrigkeit, ab 1,1 Promille ist es eine Straftat. Also nicht saufen und dann einen Roller leihen.
Quelle: dpa