Das sind die 10 skur­rils­ten Gerichts­ur­teile

1. Der Dicke-Katzen-Streit

Ein Nachbar lockte regelmäßig zwei Katzen der Nachbarfamilie in seine Wohnung, schloss die Tür und verwöhnte die Vierbeiner kulinarisch nach allen Regeln der Kunst. Der tierärztliche Befund, den die Katzenbesitzer einholten, war eindeutig: Die Tiere litten unter starkem Übergewicht – wegen massiver Überfütterung. Auch die hinzugerufene Polizei schien machtlos: Klingelten die Beamten an der Tür des Katzenliebhabers, ließ er die Tiere durch die Hintertür schnell raus. Ein Urteil aus dem Jahr 2016, das dem Katzenliebhaber eine Strafe von 250.000 Euro und eine Ordnungshaft androhte, schaffte ebenfalls keine Abhilfe; er mästete weiterhin die Katzen.

Die Katzenbesitzer fertigten daraufhin Handyvideos des Mannes an und verteilten einen Artikel aus der Lokalzeitung in der Nachbarschaft. Daraufhin klagte der Mann wegen Verleumdung. Am Ende einigten sich die Parteien auf einen Vergleich: Der Nachbar unterlässt die opulenten Fütterungen, die Katzenbesitzer vernichten das Filmmaterial.

 

2. Gartenzwerge mit Stinkefingern sind beleidigend

Zwei Nachbarn lagen wegen einer angeblichen Lärmbelästigung im Clinch. Der eine stellte daraufhin auf seinem Anwesen provokante Gartenzwerge auf: Einer zeigte den Stinkefinger, ein anderer entblößte sein Hinterteil, ein weiterer zeigte den Vogel. Das ging dem Nachbarn zu weit.

Er zog 1994 vor das Amtsgericht Grünstadt in Rheinland-Pfalz und verlangte, dass sein Nachbar die „Frustzwerge“ abbauen müsse und auch keine weiteren Zwerge dieser Art mehr aufstellen dürfe. Das Gericht gab ihm vollständig Recht. Es wertete die Posen der Zwerge als grobe Beleidigungen, beinahe so, als hätte sich der Nachbar selbst hingestellt und den Mittelfinger gezeigt – eine Rechtsprechung, die bis heute Bestand hat.
(Az.: 2a C 334/93)

 

3. Sex nur noch in Zimmerlautstärke

Ein junges Paar hatte es im Erdgeschoss eines Mehrfamilienhauses akustisch Tag und Nacht krachen lassen. Ein Gericht musste schließlich darüber entscheiden, ob lautes Stöhnen und „Jippie-Rufe“ beim Geschlechtsverkehr als Ruhestörung gelten.

Zur Verteidigung führte das Paar an, das Sex-Geräusche schwer kontrollierbar seien und das Haus außerdem sehr hellhörig wäre. Die Richter des Amtsgerichtes Warendorf (NRW) sahen es anders. Sie verpflichteten das Paar, künftig jegliche Geräuschentwicklung auf Zimmerlautstärke zu halten. (Az.: 5 C 414/97)

 

4. Heiliger Bim-Bam: Der Kuhglocken-Prozess

Oberbayern: Der Lärm von Kuhglocken störte einen zugezogenen Unternehmer derart, dass er vor Gericht zog. Er hatte sowohl die Bäuerin, die die Wiese neben seinem Grundstück gepachtet hatte, als auch die Gemeinde Holzkirchen als Eigentümerin verklagt. Schlaflosigkeit und Depression seien die Folge des ständigen Gebimmels. Hinzu käme der Wertverlust seines Grundstücks, argumentierte der Unternehmer. Er hatte der Bäuerin GPS-Sender für die Kühe statt der Glocken empfohlen.

Das Landgericht München II wies die Klage ab. Der Unternehmer hätte sich bereits zwei Jahre zuvor mit der Landwirtin auf einen Vergleich geeinigt. Demnach sollte die Kühe nur noch auf einer Hälfte der Wiese weiden dürfen. Ein Rechtsschutzbedürfnis bestehe demnach nicht mehr für den schlaflosen Unternehmer.

Die Bäuerin und ihre Kühe sind allerdings noch nicht ganz aus dem Schneider. Denn diesmal hat die Frau des Unternehmers, die nicht in den Vergleich involviert war, Klage gegen die Bäuerin eingereicht – wegen der Kuhglocken. Fortsetzung folgt.... (Az.: 12 O 1303/17)

 

5. Fußball: Nur ein Fehlschuss pro Woche

Die mangelhafte Chancenverwertung eines Fußballvereins forderte Richter in Sachsen-Anhalt heraus: Der Nachbar eines Bolzplatzes ärgerte sich, dass er ständig Bälle von seinem Grundstück holen musste. Der vier Meter hohe Zaun hinter dem Tor reichte häufig nicht, um die Fehlschüsse abzufangen. Er klagte gegen den Verein und bekam Recht.

Die Kicker mussten den Zaun auf sechs Meter erhöhen. Zudem verpflichtete es den Verein dafür zu sorgen, dass durchschnittlich nicht mehr als ein Ball pro Woche über den Zaun fliegt. (Az.: 12 U 184/14)

 

6. 3.000 Euro Strafe für Zigarettenkippen

Eine Münchnerin hat ihre Zigarettenkippen regelmäßig vom Balkon geworfen – zum Leidwesen der darunterliegenden Eigentümerin, die die Nachbarin verklagte. Ein Gericht untersagte diese unkonventionelle Art der Entsorgung.

Der Asche- und Kippenregen hörte trotzdem nicht auf. 57 Verstöße registrierte die Klägerin danach auf ihrem Balkon – und zog wieder Gericht. Die Beschuldigte stritt zwar alles ab: Sie habe ein Katzennetz am Balkon angebracht, so dass sie gar keine Zigaretten mehr vom Balkon werfen könne. Das Gericht folgte dieser Argumentation jedoch nicht und verdonnerte die Raucherin zu 3.000 Euro Strafe.
(Az.: 483 C 32328/12)

 

7. Geblendet durch die Dachziegel

Die glasierten Ziegel des Nachbarn sollen einen Hausbesitzer in Nordrhein-Westfalen so stark geblendet haben, dass er laut eigener Aussage nur noch gesenkten Blickes durch den Garten gehen konnte und selbst im Winter mit gesenktem Kopf am Esstisch sitzen musste. Er klagte, das Landgericht Arnsberg setze daraufhin einen Gutachter ein. Als dieser die Blendwirkung der Ziegel in Augenschein nehmen wollte, fand er ein völlig neues Dach vor: Der beklagte Nachbar hatte 90 Prozent seiner stark blendenden Ziegel bereits gegen matte ausgetauscht.

Der Kläger lehnte dennoch einen Vergleichsvorschlag ab. Er wollte, dass sein Nachbar das komplette Dach neu deckt – vergeblich. Durch den Austausch der Ziegel „blendet der Großteil des Daches nicht mehr rechtserheblich“, so ein Sprecher des Gerichts. Der Geblendete muss deshalb 90 Prozent der Gerichts- und Gutachterkosten selbst bezahlen. Ob das Urteil standhält, ist noch offen. Der geblendete Kläger ist in Berufung gegangen. (Az.: 2 O 186/16)

 

8. Körperverletzung durch Kirchenglocken?

Der Nachbar einer katholischen Kirche in Düsseldorf zog vor Gericht, weil er sich durch das Glockengeläut (jede Viertelstunde zwischen 7 und 22h, zuzüglich der Gottesdienste) stark gestört fühlte. Seine Klage empfand er als ein „Akt der Notwehr“ gegen die „Körperverletzung durch den Glockenlärm“. Er wollte der Kirche jegliches Glockengebimmel komplett untersagen.

Das Verwaltungsgericht Düsseldorf wies die Klage ab. Der Nachbar müsse das Läuten hinnehmen. Das sakrale Kirchengeläut sei sogar durch das Grundgesetz geschützt. (Az.: 3 K 7096/15)

 

9. Niemand hat die Absicht, einen Zaun zu bauen

Ein Mieter hat an der Grundstücksgrenze einen 1,80 Meter hohen Holzflechtzaun aufgebaut, just hinter einen seit Jahrzehnten bestehenden Maschendrahtzaun. Der Nachbar verlangte, dass der neue Zaun beseitigt werden müsse und klagte bis zum Bundesgerichtshof. Dort bekam er Recht:

Der neue Zaun verändere das äußere Erscheinungsbild der Grundstücke, argumentierten die BGH-Richter. Zudem habe der neue Zaun den Lichteinfall verändert. Der Vermieter, obwohl er gar nicht selbst Hand angelegt hatte, musste den Holzzaun beseitigen. (Az.: V ZR 42/17)

 

10. Keine Kameras: Die unzulässige Observation

Ein Mann brachte an einem Baum auf seinem Grundstück eine Kamera an, die, aktiviert durch einen Bewegungsmelder, einzelne Fotos schoss. Das störte die Nachbarn, denn die Kamera hatte auch Teile ihres Grundstücks im Blick.

Die Amtsrichterin gab den Nachbarn Recht. Ob sie tatsächlich fotografiert bzw. gefilmt wurden, spiele dabei keine Rolle. Allein durch die Ausrichtung der Kamera liege eine Verdachtssituation vor, die sie in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht beeinträchtige. (Az:. 172 C 14702/17)